Erfolg! Schiphol wird nachts geschlossen
April 4, 2023

Ursprünglich veröffentlicht auf Niederländisch von unserem Mitglied SchipholWatch, am 3. April 2023

Der jahrelange Kampf gegen Schiphol beginnt Früchte zu tragen. Schiphol wird nachts geschlossen. Dies sagte der Interim-Geschäftsführer Ruud Sondag dem Algemeen Dagblad (AD). Darüber hinaus werden die lärmintensivsten Flugzeuge verboten, und Business-Jets müssen anderswo Zuflucht suchen.

Das ist ein enormer Sieg für alle Anwohner, die seit Jahren gegen die massive Belastung durch einen der größten Flughäfen Europas kämpfen, der mitten in einem der verkehrsreichsten Gebiete Europas liegt.

Das Verbot von Nachtflügen in Schiphol bedeutet, dass die Anwohner*innen nicht mehr nächtelang von Fluglärm wachgehalten werden, oft mehrere Nächte hintereinander.

Der Druck, der durch die Medien, Bürgerinitiativen wie SchipholWatch sowie lokale und nationale Politiker*innen auf Schiphol ausgeübt wurde, ließ dem Top-Manager Sondag keine andere Wahl, als endlich Schritte zur Verringerung der Lärmbelastung anzukündigen.

Schlaf zwischen 12 und 5 Uhr

Es ist nun geplant, Schiphol zwischen 12 und 5 Uhr vollständig zu schließen. Zwischen fünf und sechs Uhr morgens sind nur Landungen erlaubt, Abflüge erst ab sechs Uhr. Nach Angaben des Unternehmens wird damit die Zahl der schwer betroffenen Einwohner um 17.500 reduziert. Das Nachtflugverbot wird den Schlaf von 13.000 Anwohnern verbessern. Das reduziert die Anzahl derer, die von der Lärmbelastung betroffen sind, um 50 Prozent.

“Wir wollen keine Ausnahmen, auch nicht für Flüge, die abends verspätet sind oder früher am Morgen ankommen”, sagte Top-Manager Sondag. “Die müssen warten, dann haben wir einfach geschlossen. Flüge können nachts nur landen, wenn Sicherheitsbedenken bestehen.”

“Die Belastung durch Nachtflüge steht seit 2008 auf der Tagesordnung. Es wurde nie genug dagegen unternommen. Wir sehen, dass die Probleme im Zusammenhang mit Nachtflügen Jahr für Jahr zunehmen. Wenn die Risiken steigen, muss man etwas dagegen tun. Jetzt reduzieren wir sie.”

Nachtflugverbot kommt spätestens Ende 2025

Laut Sondag wird die Maßnahme gegen Nachtflüge sofort in Kraft treten. “Spätestens Ende 2025, aber wenn es nach mir geht früher. Das müssen wir mit den Fluggesellschaften besprechen, denn das wird durchaus Auswirkungen haben.”

Sondag ist sich bewusst, dass Ferienflüge durch das Nachtflugverbot teurer werden können. “Das ist das Dilemma, die Interessen der Urlauber mit denen der Anwohner in Einklang zu bringen. Wir können von den Menschen, die in der Region leben, nicht verlangen, dass sie jahrelang Opfer bringen, nur damit Flugtickets für Urlauber günstig bleiben.”

Die Ankündigung von Schiphol kommt für viele Beteiligte völlig überraschend.

“Dieser Schritt – wenn er wahr ist – deutet darauf hin, dass Schiphol endlich erkannt hat, dass es den Bogen überspannt hat, und nun versucht, das zu retten, was zu retten ist. Gute Nachrichten für die Umgebung. Und jetzt müssen wir uns weiter dafür einsetzen, den Luftverkehr zu reduzieren”, sagte MP Lammert van Raan (Partei für die Tiere), der zusammen mit den Anwohner*innen seit Jahren gegen die Lärmbelästigung und Umweltverschmutzung durch Schiphol kämpft.

Suzanne Kröger, Mitglied des Abgeordnetenhauses für die Grüne Linke, zeigte sich erfreut. “Das ist ein toller Erfolg. Ich plädiere seit Jahren für einen Stopp von Nachtflügen und habe dafür auch eine Gesetzesvorlage verfasst. Es ist fantastisch, dass die Menschen in der Region nun wieder den Schlaf bekommen, den sie brauchen.” Sie will jedoch abwarten, ob die Pläne wahr werden. “Das muss ich erst sehen, um es zu glauben.”

Keine Rückzieher mehr

Alfred Blokhuizen, Vorsitzender von SchipholWatch sowie der Anwohnervereinigung BTV-Rotterdam, ist optimistisch. “Dieser Sieg für die weitere Region Schiphol ist besiegelt. Sondag kann seine Versprechen jetzt nicht wieder zurückziehen. Es ist das erste Mal in der Geschichte, dass Schiphol wirklich die Interessen seiner Nachbarn berücksichtigt.” Blokhuizen hat einen Vorbehalt: “Wir müssen sicherstellen, dass Nachtflüge nicht auf Regionalflughäfen verlegt werden.”

Abgesehen von einem Nachtflugverbot will Direktor Sondag – der selbst in der Einflugschneise des stark genutzten östlichen Runways lebt – die lärmintensivsten Flugzeuge “Schritt für Schritt” verbieten. Ab November dieses Jahres werden unter anderem 747 Jumbo-Jets am Amsterdamer Flughafen immer weniger willkommen sein.

“Ab dem 1. November dürfen die größten Krachmacher nicht mehr hierher kommen. Wir sind bereits mit den Fluggesellschaften im Gespräch. Diese Maßnahme wird auf die Flugzeuge abzielen, übe die sich die Anwohner am meisten beschwert haben”, sagte der Direktor von Schiphol gegenüber AD.

“Als Unternehmen wollen wir keine Ambitionen mehr ankündigen, sondern konkrete Maßnahmen”, sagte Sondag der AD. “Ich denke, es ist wichtig, dass Schiphol seine Meinung unabhängig äußert; als Nachbar in der Region, als staatliches Unternehmen und als Akteur in der Luftfahrtindustrie.”

Auf Wiedersehen, Business-Jets!

Teil der Pläne ist ein Verbot von Business-Jets. Diese sollten anderswo Zuflucht suchen, sagt Sondag. Das ist ein großartiges Ergebnis der Aktionen von Extinction Rebellion, die vor einigen Monaten den Bereich blockiert haben, in dem die Business-Jets geparkt sind.

“Ab Ende 2025 wollen wir die 17.000 Geschäftsflüge pro Jahr loswerden. Die Hälfte davon sind nicht einmal Geschäftsflüge, sondern fliegen zu Urlaubszielen. Die restlichen fliegen zu Zielen, zu denen bereits viele normale Flüge gehen.”

“Pro Passagier verursacht ein Business-Jet zweieinhalb Mal mehr Lärm als ein regulärer Flug und 20-mal mehr Emissionen. Dagegen müssen wir etwas tun”, sagte Sondag. “Die Belästigung durch diese Privatjets konzentriert sich auf ein kleines Gebiet, zu dem auch die Innenstadt von Amsterdam gehört.”

Pläne für Lelystad bleiben

Trotz der guten Absichten für Schiphol plant der Top-Manager immer noch, den Flughafen Lelystad zu eröffnen, aber nicht für die in Schiphol verbotenen Business-Jets. Wofür genau, wurde im Interview nicht klargestellt.

Neben Maßnahmen zur Lärmreduzierung will Sondag auch konkrete Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels ergreifen, ist sich aber noch nicht sicher, welche. “Über das Klima grübeln wir immer noch. Wir werden demnächst konkrete Vorschläge zu Emissionen im Einklang mit dem Pariser Abkommen vorlegen.”

Das klingt nach einem lang erhofften Wandel nach mehr als 30 Jahren Shipholing – Lügen und Täuschungen auf der Grundlage falscher Informationen. Das räumt auch Direktor Sondag ein: “Wir haben den Anwohnern allzu lange nicht zugehört. Ich halte es für wichtig, klare Maßnahmen festzulegen und sich daran zu halten. Das ist ein Ansatz, der besser zu diesen Zeiten passt”, vermerkte der Journalist Herman Stil von der AD.

Verschleiernde Sprache

“Begriffe wie ‘ausgewogene Ansätze’ und ‘experimentelle Regelungen’, die jetzt in Debatten über Reduzierung von Flugreisen verwendet werden, bedeuten den Menschen überhaupt nichts. Was sollen die Anwohner mit all diesen Begriffen anfangen, die sie anscheinend nur ruhigstellen sollen? Wir schlagen jetzt eine neue Tonart an.”

Schiphol wird sich mit dieser neuen Politik im Rest der Flugbranche keine Freunde machen. Es ist gut möglich, dass die Fluggesellschaften diese Linie von Schiphol mit Zähnen und Klauen unter Berufung auf wirtschaftliche Interessen bekämpfen werden. Es ist klug, mutig und notwendig, dass Schiphol diese Politik dennoch umsetzt.

Aus Ruud Sondags Darstellung geht nicht hervor, ob der Verzicht auf Nachtflüge ein Opfer ist, um wieder auf 500.000 Flüge pro Jahr oder sogar mehr anzuwachsen. Wenn dies der Fall ist, dann ist die Streichung von Nachtflügen gut für den Schlaf von Zehntausenden von Anwohnern, hilft aber nicht dem Klima, der Umwelt oder der Natur. Die Zeit wird es zeigen.

SchipholWatch bedankt sich bei allen Mitkämpfer*innen für ihren unermüdlichen Einsatz. Manche Organisationen und Einzelpersonen setzen sich seit Jahrzehnten ein, andere “erst” seit wenigen Jahren. Wir gratulieren allen, die gemeinsam diesen Politikwechsel in Schiphol durchgesetzt haben. Auf in eine bessere Zukunft.

Wir laden Ruud Sondag herzlich ein, uns eine E-Mail zu schicken, damit wir ihm eine Kiste Champagner zukommen lassen können.