Seit Beginn der Corona-Pandemie ist der Flugverkehr am Boden. Seit vielen Jahren schon ist klar, dass Fliegen die klimaschädlichste und ungerechteste Form der Mobilität ist. Wie geht es nun weiter? Zurück zum business as usual oder ein Umschwenken in Richtung klimagerechte Mobilität? Was kann die Aufgabe der Klimagerechtigkeitsbewegung hier sein und wie können und Klima- und Arbeitskämpfe verbunden werden?
Am 11.03.2021 wurden diese Fragen in einem Webinar von Stay Grounded und Robin Wood diskutiert, mit Vertreter*innen von Fridays for Future, United for Fight, Am Boden bleiben und ver.di.
Anfang 2021 veröffentliche Stay Grounded zwei spannende Publikationen zur Frage wie eine klimagerechte Antwort auf die Situation des Luftverkehrs seit Corona aussehen kann. Diese werden zu Beginn des Webinars vorgestellt
- Ein Diskussionspapier zum Thema gerechte Übergänge in der Flugindustrie gemeinsam veröffentlicht mit einer britischen Gewerkschaft. Hier wird geschaut wie der Weg zu klimafreundlicher Mobilität aussehen kann, wenn Rettungsgelder nicht in eine schädliche Industrie gesteckt werden, sondern in Aufbau-Fonds, die Trainings, Umschulungen und klimafreundliche Alternativen finanzieren.
- Die „Broschüre Destination Degrowth – Flugverkehr gerecht reduzieren“. Diese erläutert und diskutiert welche unterschiedlichen politischen Maßnahmen es braucht – von Steuern bis zu Moratorien – um eine Transformation des Mobilitätssektors zu erreichen und zwar “by design – nicht by desaster”.
Anschließend diskutieren die Podiumsteilnehmer*innen aus ihren jeweiligen Perspektiven, wie ein Zusammenarbeit von Klimagruppen und Gewerkschaften in Deutschland zum Thema gerechte Mobilität/gerechte Übergänge aussehen könnte und was es dafür braucht. Moderiert wurde die Diskussion von Dominique Just – Fachreferentin für Mobilität bei Robin Wood.
Peter Büddicker Fachbereichsleiter Verkehr bei ver.di in NRW, nennt als zentrales Problem der Flugindustrie die Liberalisierung, Privatisierung und ruinösen Preiswettebwerb der letzten 30 Jahre und daraus entstehende schlechte Arbeitsbedingungen und -standards. Hier sieht er gemeinsame Anküpfungspunkte für Umwelt- und Arbeitskämpfe da mangelnde Kontrolle und Regelung sowohl zu schlechten Arbeitsbedingungen als auch zu mehr Verschmutzung führt. Im Moment befänden sich die Gewerkschaften in dieser Branche aufgrund der Corona-Pandemie vor allem in Abwehrkämpfen und das Ziel der Gewerkschaften sei es die Beschäftigen sicher durch die Krise zu bringen. Das Thema der ökologischen Gerechtigkeit sagt er ist durchaus inzwischen auch in den Gewerkschaften angekommen, im Flugverkehr ist die Situation jedoch schwieriger als im Nahverkehr, vor allem wenn es darum geht die Gemeinsamkeiten der Kämpfe für die Beschäftigten aufzuzeigen. Langfristig brauche es jedoch einen neuen Konsens darüber wie wir eigentlich leben wollen.
Nora, Aktivistin bei Am Boden bleiben betont, dass die Themen Klima und Gerechtigkeit unabdingbar zusammen gehören und nicht ohne einander gedacht werden können und dürfen und dass die Lösung nicht rein in individuellem Flugverzicht sondern auf systemischer Ebene gesucht werden muss. Auf einer Emissionsebene heißt das für den Flugverkehr massive Reduktion, durch Abschaffung von Kurzstreckenflügen, Ausbaustopps für Flughäfen und Verlagerung auf alternative Verkehrmittel. Auf einer Gerechtigkeitsebene müssen Maßnahmen wie eine Vielflieger*innensteuer, aber eben auch gerechte Übergänge, Transformationsgelder für Beschäftigte und finanzierte Umschulungsprogramme umgesetzt werden. Die Erkenntnis das Luftverkehr drastisch reduziert, bzw. gering gehalten werden muss, darf hier nicht auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden, sondern muss mit diesen gemeinsam verhandelt werden.
Elisa Hüller von United for Fight arbeitet in ihrem Bildungsprojekt zu dem Thema wie sich Klima- und Arbeitskämpfe verbinden lassen. In der Flugindustrie sieht sie die gemeinsame Ursache für sowohl niedrige Löhne, fehlende soziale Sicherung und schlechte Arbeitsstandards als auch für steigende Emissionen und Umweltzerstörung in den Interessen einer Industrie die sich in Privateigentum befindet und gezwungen ist Profit zu machen. Nicht der Profit sollte jedoch an erster Stelle stehen, sondern die Sorge um Mensch und Natur. Damit gibt es für beide Bewegungen ein gemeinsames Interesse und einen gemeinsamen Gegner – die Profitinteressen der Aktionär*innen der großen (Flug)konzerne und das Management. Sie ist der Meinung, dass es genug überzeugende Konzepte für ein anderes Mobilitätssystem gibt, aber zu wenig Macht dieses durchzusetzen. Hier brauche die Klimabewegung die Beschäftigten um gemeinsam eine Gegenmacht aufzubauen. Für diese Zusammenarbeit braucht es einen Fokus auf die gemeinsamen Interessen und die Notwendigkeit für die Klimabewegung sich an die Seite der Beschäftigten zu stellen und deren Forderungen zu ihren eigenen zu machen. Dann sollte diese Zusammenarbeit aber auch deutlich kämpferischer sein
Christopher Schmidt ist bei Fridays for Future aktiv und hat 2020 in verschiedenen Gruppen und Bündnissen die gemeinsame Kampagne von ver.di und FFF zu den ÖPNV-Tarifverhandlungen unterstützt. Aus diesen Erfahrungen sieht er den gegenseitigen Vertrauensaufbau zwischen Beschäftigten und Klimaaktivist*innen als zentral an, der einen langen Atem braucht und bei dem auch Widersprüchlichkeiten ausgehalten werden müssen. Wichtig ist von Seiten der Klimabewegung die Solidarität ernst zu meinen, sodass Beschäftigte sich nicht instrumentalisiert fühlen. Mit großen Utopien an Beschäftigte heran zu treten, die gerade in akuten existenzbedrohenden Situationen und Kämpfen sind, hat sich dabei teilweise als schwierig erwiesen. Der gemeinsame Kampf für bessere Arbeitsbedingungen und hohen Sozialstandards in bestimmten Bereichen wie dem ÖPNV könne jedoch dann auch dafür sorgen, dass diese Jobs attraktive Alternativen für Beschäftigte aus anderen (klimaschädlichen) Sektoren werden.
Dominique Just fasste am Ende zusammen, dass trotz bestehender Differenzen klar wurde wie wichtig es ist, dass sich Klimagerechtigkeitsbewegung und Gewerkschaften mehr zuhören und dass schlechte Arbeitsbedingungen und Existenzsorgen, ebenso wie Pandemien und ökologische Krisen auf gemeinsame Ursachen zurück zu führen sind und deshalb auch nur gemeinsam bekämpft werden können! Hierfür ist es nötig Vertrauen aufzubauen um nicht nur kurzfristig Bschäftigugn zu sichern, sondern langfristig ein gutes Leben für alle zu erreichen.